Wahlen 2017

Wahlen 2017: Lasst den Branded Content kommen!

von Zornitsa Todorova

14. Februar 2017

Seit 2012 macht das multimediale Storytelling als journalistische Darstellungsform Karriere. Spätestens mit der Veröffentlichung der bahnbrechenden Reportage der New York Times „Snow Fall“ hat es einen Platz im Repertoire der großen Verlage eingenommen – nicht nur in den USA. Auch in Deutschland versuchen Traditionsmedien den Sprung in die digitale Ära zu meistern. Weil sich Digital schnell in die natürlichste Form der Informationsgewinnung verwandelt hat. Je schneller Printauflagen schrumpfen, desto eindringlicher zeichnet sich die Notwendigkeit ab, ein funktionierendes Finanzierungsmodell für den Online-Journalismus zu finden. Journalistische Inhalte per Abo stellen eine mögliche Lösung dar. Eine andere, vielversprechendere, bieten neue Werbeformate.

Grenzen verschwimmen  

Qualitätsjournalismus und Werbung – bisher konnten diese zwei Begriffe kaum unter einen Hut gebracht werden. Für gewöhnlich versteht sich der Qualitätsjournalismus als objektiver Beobachter von Events. Er ist meist ein teilnahmsloser Berichterstatter über Sichten, Werte, Meinungen und Positionen. So anders als Werbung. Schrill, einseitig und mit einer emotional aufgeladenen Call-to-Action haben Werbeformate nur wenig mit Qualitätsjournalismus gemeinsam. Oder?

Die vergangenen Jahre haben diese Annahme auf den Kopf gestellt. Denn auch Werbung durchlebt eine Phase der Neuerfindung. Die Bedürfnisse der Konsumenten werden in den Mittelpunkt der Botschaften gerückt, die immer subtiler und raffinierter daherkommen. Sprachlich und visuell gestaltete Mitmach-Aktionen erscheinen unaufdringlich und begeistern Konsumenten ganz nebenbei. Inhalte mit einem Mehrwert für den Konsumenten – darauf zielt Content-Marketing in erster Linie ab. Und tritt in Konkurrenz zum Journalismus. Warum nicht einfach beide Positionen miteinander verbinden?

Multimedia-Storytelling

Keine andere Darstellungsform kann Qualitätsjournalismus und Werbung müheloser miteinander verschmelzen lassen als das multimediale Storytelling. Es ist bestens geeignet, um die Tiefe des Qualitätsjournalismus, der sich unter anderem in sauber recherchierten Informationen widerspiegelt, in die visuelle Ästhetik der Werbung zu übersetzen. Eines der bekanntesten Beispiele dafür „Could: Painting what’s possible“ – eine Zusammenarbeit von Atlantic Re:think und dem Technologiekonzern Qualcomm. Sie wagten das Experiment, die Zukunft der Technologie durch Kunst zu erforschen und sie dadurch greifbarer zu machen.

Im Parallax-Aufbau ihrer Story werden die verschiedenen narrativen Ebenen der Erzählung miteinander verwoben: Qualitätsjournalismus, Werbung und Kunst in einem einzigartigen Erlebnis. 60% der Werbeeinnahmen des „Atlantic“ sind inzwischen durch Branded-Content (Sponsored-Content) generiert. Das ist möglich, ohne das Gesicht als Autoritätsmedium zu verlieren. Die redaktionelle Leitlinie – „Werbecontent soll vor allem Mehrwert für die Leser bringen“ – steht dabei stets im Vordergrund.

Branded-Content zu politischen Themen

Aber wie steht es mit politischen Inhalten? Können sie werblich sein, ohne dass die Öffentlichkeit an ihrer Glaubwürdigkeit zweifeln muss? Dass das Modell auch im politischen Bereich erfolgreich sein kann, beweist nach nur zwei Jahren im Native-Advertising-Geschäft Politico Focus. Die kreative Abteilung des einzigartigen Online-Mediums nimmt politische und soziale Meinungsträger und Influencer ins Visier. Politico Focus nutzt die Mittel von Branded-Content und bietet Marketers und Agenturen von NGOs, Think-Tanks oder sozialen Unternehmen die Möglichkeit, ihre Stakeholder besser zu verstehen und selbst besser verstanden zu werden.

Für sein kreatives Vorgehen wurde Politico Focus zuletzt von dem Institut für Native Advertising gekürt. Das Medium plant nun, die Sparte `Branded-Content´ zu erweitern. Die Begründung dafür: Unter dem Primat des Qualitätsjournalismus kann Native-Advertising (Branded Content) das digitale Geschäftsmodell von Verlagen finanziell sichern. Dazu hat Politico Focus folgende journalistische Grundregeln formuliert:

Branded-Content bei Politico Focus muss:

  • Menschen helfen, ihren Job besser zu tun.
  • verantwortungsvoll mit Themen umgehen.
  • sich dem journalistischen Aktualitätsrhythmus fügen.
  • den Community-Journalismus fördern, der Themen und Fragen von benachteiligten Minderheiten beleuchtet.
  • Themen unter die Lupe nehmen, die die politische Diskussionen anregen. 

Multimedialer Branded-Content zu den Wahlen 2017

Stellen Sie sich eine Wahlkampagne vor, die nicht auf abgenutzte politische Plakatparoli setzt, sondern auf in-depth Reportagen zu den brennenden Themen unserer Gesellschaft, in multimedialer Form? Atmosphärisch, authentisch und vor allem vielseitig! Und warum nicht bezahlt. Werden Wähler und Medienkonsumenten solche Mixformen der Information und Werbung ablehnen, wenn sie transparent kommuniziert werden? Gewiss nicht.

Multimedialer Branded-Content – in der Form von Qualitätsberichterstattung – kann eine entscheidende Rolle in den bevorstehenden Wahlen 2017 spielen. Dafür braucht es nur die Einigkeit zwischen Werbetreibenden und Medien sowie klare journalistische Standards. Davon profitieren werden nicht nur die Medien und Auftraggeber, sondern auch das Publikum. Mediennutzer können mehr Transparenz und Klarheit über den Ursprung der Botschaften genießen, da sich Medien zu einem verantwortungsvollen und offenen Umgang mit Werbung verpflichten müssen.

Zornitsa Todorova ist Konzeptionierin bei KOMPAKTMEDIEN. Sie hat den Branded Content für die Hightech-Strategie der Bundesregierung mitentwicklelt. Mehr dazu erfahren Sie auf unserem Blog.