Die BILD, das Flens und der gelbe Pullunder
Ein Umfrage mit Rekordbeteiligung, ein überwältigendes Medieninteresse, ein hochzufriedener Kunde: Am Ergebnis der 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) zeigt sich, wie man als Agentur mit einer ungewöhnlichen Strategie von Anfang an alles richtig machen kann.
Von Stefan Zowislo
Die Dinge begannen im Dezember 2015 außergewöhnlich: Nahezu zwei Fußballteams, so wurde vorab mitgeteilt, sei das Auswahlgremium groß, dafür mit der Redezeit nach einer Viertelstunde Schluss – und bitte stets im Blick: drei Stakeholder-Truppen am Tisch, alle bedeutend und einigermaßen selbstbewusst.
Da hilft nur geordnete Offensive und die Gunst des Augenblicks: Statt PowerPoint gab’s Pitch-Pappen („Wie? Sie brauchen keine Technik?“). Zunächst einmal wurde sich beherzt auf die Zielgruppe – 2,8 Millionen Studierende in ganz Deutschland – eingestellt. Die aktuelle Ausgabe der BILD-Zeitung diente als Winkelement („2,8 Millionen Auflage hatte diese Zeitung mal“ – okay, ein bisschen hingebogen). Ein gelber Pullunder machte die Sache farbig: „2,8 Millionen wählten die FDP bei der letzten Bundestagswahl.“ Und eine Bügelflasche Flens stand für 2,8 Millionen Menschen, die in Schleswig-Holstein leben.
Anders als zuvor
Ehrfürchtig musste es weitergehen, denn immerhin drehte es sich um die mobile Flottmachung der „Mutter aller Umfragen“, der bundesweiten Sozialerhebung unter Deutschlands Studierenden. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung, das Deutsche Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung und das Deutsche Studentenwerk wollten es diesmal anders haben als in den 65 Jahren zuvor (und damit 20 Mal). Rein online sollten die für die Zukunft der bundesdeutschen Hochschulstandorte so entscheidungsschwangeren Zahlen erhoben werden – mit Fragen wie: „Was essen unsere Studis?“, „Wer wohnt bei Mama?“, „Wie viel Zeit bleibt zum Studieren?“, „Reicht das BAföG?“.
Nach vierzehneinhalb Minuten war dann wirklich Schluss mit dem Präsentieren und das dreiköpfige Agenturteam taumelte – BILD, Pullunder und vor allem Flens gerettet – aus dem Saal. Doch siehe da: Graphischer Ansatz, Claim – „Wir rechnen, damit du zählst“ – und die Vorschläge für das weitere Drumherum hatten Wirkung gezeigt: Platz 1.
Was danach geschah
Das anschließende Einzelgesprächsverfahren – wie gesagt: drei selbstbewusste Stakeholder – machte Freude, multiplizierte die Erkenntnisse und markierte die Spur. Wir wurden zur harmonischen Gruppe, fanden den Spagat zwischen Wissenschaftsbedarfen, Ministeriumsinteressen und Vermarktungspotenzialen und warteten gemeinsam gespannt auf die Rücklaufquote. Ein kleines Zittern kam ins Spiel, nicht ohne Grund – schließlich agierten wir in einem, wie es unsere Konzeptionsabteilung aufgeschrieben hatte, „hochkompetitiven Umfeld, denn Studentinnen und Studenten sind als Zielgruppe kommunikativ stark umworben.“
Über ein Jahr später, wir haben Sommer 2017, kommen die Belege für gelungenes Vorgehen peu à peu auf den Tisch – inklusive beträchtlicher Bücher. Die Pressemitteilung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung stimmt entsprechend ein, schafft mit der Überschrift: „Umfrage mit Rekordbeteiligung“ echte Vorfreude und vollendet mit grundsolidem Fließtext: „Im Sommersemester 2016 war die Beteiligung an der erstmals online organisierten Befragung so hoch wie noch nie, die Angaben von mehr als 60.000 Studierenden an 248 Hochschulen konnten für die aktuelle Sozialerhebung ausgewertet werden – an der letzten Befragung 2012 hatten rund 16.000 Studierende teilgenommen.“ Uff, geschafft…
Und es begann mit einer BILD-Zeitung, einem gelben Pullunder und einer Flasche Flens.
Stefan Zowislo ist Geschäftsführer von KOMPAKTMEDIEN mit einem Faible für die etwas andere Kundenansprache. Beim DSW hat das geklappt. Bei RAIFFEISEN 2018 auch. Und beim Bayerischen Landesamt für Umweltschutz. Und…